Validierung und Definition einer Leistungsmessung
Die folgende Literatur eignet sich für den Interessenten, welcher ein Leistungsdiagramm im Detail verstehen möchte.
Bei Gesprächen über Leistung und Drehmoment werden wir häufig mit der Situation konfrontiert, dass unsere Gesprächspartner zwar mit Fachausdrücken argumentieren, deren Definition oder Herleitung sie oftmals aber nicht kennen. Erschwerend kommt hinzu, dass von "Fachbetrieben" häufig irreführende oder falsche Angaben gemacht werden.
Leistung im Allgemeinen
Im physikalischen Bereich wird Leistung definiert als die geleistete Energie pro Zeiteinheit, oder aber als die geleistete Arbeit pro Zeit. Im automotiven Bereich werden wir insbesondere die geleistete Arbeit pro Zeiteinheit betrachten.
Leistungsformel
(M x n)
P = ------------------
9550
P = Leistung in Kilowatt (kW)
M = Drehmoment in Newtonmeter (Nm)
n = Nenndrehzahl des Motors in Umdrehungen pro Min (1/min)
Das Prinzip ist relativ einfach:
Man wählt einen entsprechenden Drehzahlpunkt (Beispiel 5'500 1/min) und multipliziert diesen mit dem an der Stelle gemessenen Drehmoment (Beispiel 500 Nm). Dieses Ergebnis teilt man durch den Faktor 9550. Das Resultat dieser Rechnung sind 287,96 kW.
Um von Kilowatt auf die geläufigeren PS (Pferdestärken) zu rechnen, wird mit dem Faktor 1.36 multipliziert.
Also sind 287,96 kW ziemlich genau 391,63 PS.
Feststellung 1:
Wer die Leistung messen will, misst eigentlich nur das Drehmoment. Die Leistung ist dann ein mathematisches Resultat aus den zuvor erwähnten Werten. Somit müsste ein „Leistungsprüfstand" eigentlich „Drehmomentprüfstand" heissen....
Anhand der Drehzahl wird die Leistung dann berechnet!
Die Linearität der Formel deutet darauf hin, dass die Leistung proportional zur Drehzahl steigt, wenn das Drehmoment konstant gehalten werden kann.
Dazu ein weiteres Beispiel:
M = 300 Nm
n1 = 3000 1/min
n2 = 6'000 1/min
Die Leistung beim Drehzahlpunkt „n1" beträgt ca. 126,5 PS.
Die Leistung beim Drehzahlpunkt „n2" beträgt ca. 253,0 PS
Folglich verdoppelt sich die Leistung trotz gleich bleibendem Drehmoment bei doppelt so hoher Drehzahl.
Hier die entsprechende Grafik:
Feststellung 2:
Weil für die Leistungsberechnung das gemessene Drehmoment mit der Drehzahl multipliziert wird, steigt die Leistung trotz konstantem Drehmoment bei steigender Drehzahl. Genauer gesagt steigt die Leistung so lange weiter an, bis das Drehmoment so stark abfällt, dass es durch die Multiplikation der Drehzahl nicht mehr kompensiert werden kann.
Feststellung 3:
Ein Motor ist dann wirklich "potent", wenn die maximale Leistung möglichst weit hinten am Drehzahlband erreicht wird und auf dem Weg dorthin kontinuierlich ansteigt.
Feststellung 4:
Abgeleitet von der Leistungsformel entspricht das gemessene Drehmoment bei 7'000 1/min ziemlich genau der Leistung in PS. Das ist bei allen Motoren gleich!
In diesem Fall sind es 300 Nm bei 7'000 1/min, was ca. 295,1 PS bedeutet.
Anwendung bei der Leistungsmessung bei Fahrzeugen
Seit 1977 ist die Masseinheit „PS" (Pferdestärken) im Automobilgewerbe keine gesetzliche Messgrösse mehr. Seit dem 1. Januar 2010 ist in Deutschland die alleinige Angabe von PS verboten worden, um die Industrie an die Masseinheit „kW" (Kilowatt) zu gewöhnen. Trotzdem wird es im Automobilgewerbe wohl noch Jahr(zehnte) dauern, bis sich alle auf die gebräuchlichere Einheit eingestellt haben. Zu stark war der Einfluss der PS auf den "Volksmund".
Sämtliche, vom Werk angegebene Leistungsdaten (egal von welchem Autohersteller), beziehen sich auf die Leistungsabgabe an der Kurbelwelle (direkte Motorleistung). Während das Motordrehmoment über das Getriebe umgewandelt und über die Achsen, Radnaben, Reifen auf die Strasse abgegeben wird, fällt ein nicht unwesentlicher Teil der Leistung als Folge von Reibungswiderständen als nutzlose Wärme ab. Man spricht hier von Schleppleistung oder Verlustleistung. Also sind die Leistungsdaten welche man am Rad misst, immer um die Verlustleistung reduzierte Motorleistungen. Oder anders ausgedrückt:
Radleistung + Schleppleistung = Motorleistung
Hier entsteht bereits die erste Hürde. Obwohl es eigens dafür entwickelte Motorenprüfstände gibt, wo man also quasi die Leistung am ausgebauten Motor direkt an der Kurbelwelle misst, ist diese Methode nicht alltagstauglich. Je nach Motorvariante und Einbauposition braucht man *zig Arbeitsstunden um den Motor für die Messung auszubauen, die Messung zu gestalten und den Motor danach wieder einzubauen.
Feststellung 5:
Um die Leistungsangaben vom Werk zu plausibilisieren müsste man den Motor ausbauen und die Leistung mit einem Motorenprüfstand messen. Wobei es nicht heisst, dass ein Motor die Leistung auf einem Motorenprüfstand (= optimalste Bedingungen) genau gleich in eingebautem Zustand abgeben wird.....
Die günstigere und bedeutend einfachere Variante ist die Leistungsmessung an den Rädern resp. an den Radnaben bei eingebautem Motor. Dabei wird die Motorleistung berechnet, indem man die gemessene Radleistung mit der Schleppleistung addiert.
Normen: DIN-70020 oder EWG-80/1269
Normen werden dazu verwendet dass man die in unserem Fall gemessene Leistung am Ort X mit einer Messung am Ort Y vergleichen kann. Denn es dürfte klar sein, dass eine Leistungsmessung bei einer Höhe von 300m.ü.M. nicht direkt vergleichbar ist mit einer Messung bei einer Höhe von 900m.ü.M. Grund hierfür ist der unterschiedliche Luftdruck und Luftdichte, welcher den Füllungsgrad des Motors stark beeinflusst.
Ein weiterer Punkt ist die Umgebungs- resp. Ansaugtemperatur. Ohne Berücksichtigung dieser Werte ist ein Leistungsvergleich von 2 Diagrammen nicht möglich.
DIN-70020
Bei dieser Norm wird als Basiswert für den Luftdruck 1013 mbar und eine Ansauglufttemperatur von 20 Grad C angenommen. Die Umgebungslufttemperatur sowie die relative Luftfeuchte spielen hier keine Rolle.
EWG-80-1269
Hier werden als Basiswerte für den Luftdruck 990 mbar und eine Ansauglufttemperatur von 25 Grad C angenommen. Im Gegensatz zur DIN-Norm werden hier zusätzlich die Umgebungslufttemperatur sowie die Luftfeuchtigkeit hinzugezogen.
Feststellung 6:
Alleine wegen der unterschiedlichen Basiswerte ergibt eine Normanwendung der DIN meistens eine höhere Leistungsangabe. Da die Fahrzeughersteller seit Jahrzehnten die Werksangaben nach EWG machen, sollte in jedem Fall eine Messung ebenfalls nach EWG korrigiert werden. Die Anwendung der DIN-Norm ergibt zwar einen höheren Wert, welcher aber mit der Werksangabe nicht verglichen werden kann.
Rollen-Leistungsprüfstand
„Rollen-Leistungsprüfstände" sind zur gängigsten Art der Leistungsmessung geworden. Bei diesen Prüfständen wird der Abstand der Messrollen genau auf den Achsabstand des zu messenden Fahrzeuges eingestellt. Das Fahrzeug wird mit Gurten am Boden verzurrt und während der Messung „fährt" der Wagen quasi auf den Rollen. Egal ob dies nun pro Rad zwei separate, achsweise verbundene oder ob es sich um Scheitelrollen handelt. Das Prinzip ist immer das Selbe. Die Vorteile dieser Messung sind insbesondere das relativ schnelle Aufspannen des Fahrzeuges für die Messung. Der wohl grösste Nachteil ist jedoch der bei der Messung (insbesondere potenter Fahrzeuge) entstehende Schlupf zwischen den Reifen und der Rolle. Dabei ist der Reifenverschleiss auf der Rolle nicht zu verachten. Scheitelrollenprüfstände sind hier sicher die beste Wahl.
Radnaben-Leistungsprüfstand
Diese Art der Leistungsmessung ist relativ neu. Hier wird die Leistung ohne Schlupf direkt an den Radnaben gemessen. Dafür demontiert man die Räder und schraubt an deren Stelle Adapter an die Radnaben. Diese Adapter werden mit dem Leistungsprüfstand mechanisch verbunden. Der Motor treibt so an Stelle der Räder die Messgeräte des Leistungsprüfstandes an.
Weil kein Schlupf bei der Messung entstehen kann, schont man einerseits die Reifen und andererseits ist die Messgenauigkeit deutlich höher. Zudem ist die Unfallgefahr da es keine aussenliegenden rotierenden Rollen gibt um ein Vielfaches geringer. Der Aufwand für einen Leistungsmessung ist etwas höher als beim Rollenprüfstand.
Zudem kann bei einem solchen Prüfstand die Schleppleistung leider nicht gemessen werden.
Wie wird nun konkret gemessen?
Der prinzipielle Aufbau ist relativ einfach:
Radleistung + Schleppleistung = Motorleistung
+ / - Normkorrektur = Motorleistung nach Norm
Radleistung
Um ein möglichst genaues Ergebnis zu erzielen sollte die Messung in einem möglichst direkt übersetzten Gang stattfinden. Im Zweifelsfall wählt man den nächst höheren Gang. In der Praxis ist dies der 4. oder 5. Gang.
Die Messung beginnt zwischen 1'500-2'000 1/Min. Der Motor wird nun mit Vollgas bis zum Drehzahlbegrenzer beschleunigt. Die eigentlich gefahrene Geschwindigkeit bei einer solchen Messung variiert je nach Fahrzeug zwischen 180 - 270 Km/h. Hier wird deutlich, dass mittels eines Gebläses der nicht vorhandene Fahrtwind simuliert werden muss um das Aggregat und die Auspuffanlage während der Messung zu kühlen. Das grösste Problem praktisch bei allen Leistungsprüfständen ist, dass nicht genügend Fahrtwind simuliert werden kann. Man sollte sich nicht vom Geräusch der Gebläse beeinflussen lassen. Bei 200 Km/h und entsprechender Luftmasse ist es nicht mehr möglich im Fahrtwind zu stehen!
Die Angabe Radleistung ist der plausibelste und ehrlichste Wert bei einem Leistungsvergleich. Wird jedoch mit den Rädern gemessen, so sollten die „rotierenden Massen" welche als Berechnungsgrundlage in der Prüfstandsoftware hinterlegt sind, unbedingt auf dem Diagramm angegeben werden. Denn eine Veränderung dieses Wertes um 10 % verändert die Radleistung im selben Verhältnis!
Die Transparenz der Leistungsmessung ist durch die Tatsache, dass diese Werte auf unzähligen Leistungs-Diagrammen diverser Fachbetriebe fehlen, nicht mehr gewährleistet!
Feststellung 7:
Um eine Leistungsmessung auf einem Rad- resp. Radnabenprüfstand unter realistischen Bedingungen ausführen zu können bedarf es einem Gebläse aus dem professionellen Bereich wie dies in Windkanälen eingesetzt wird! Ein solches Gebläse übersteigt die Kosten eines Leistungsprüfstandes. Ohne die Angabe der rotierenden Massen welche zur Leistungsberechnung eingesetzt wurden, ist ein Leistungsdiagramm nichts wert.
Hinzu kommt, dass eine Leistungsmessung etwa so lange zu dauern hat wie die entsprechende Beschleunigung auf der Strasse. Während dieser Zeit müssen die Temperaturen im Motor innerhalb desselben Bereiches liegen wie wenn das Auto auf der Strasse fahren würde. Zu hohe Temperaturen quittieren moderne Steuergeräte mit Leistungsreduktionen oder aber es kommt zu Motorschäden.
Schleppleistung
Ist die Leistungsmessung beendet (Drehzahl am Drehzahlbegrenzer angelangt), so betätigt der Prüfer die Kupplung (trennt den Antrieb zwischen Motor und Getriebe) und lässt den Antriebsstrang selbständig bis zum Stillstand auslaufen.
Hierbei wird die Schleppleistung gemessen, welche wie eingangs erwähnt zwischen der Kraftabgabe am Motor und der Strasse „verloren" geht. In der Tat ist es so, dass hier die Fehlerquellen relativ stark vorkommen. Ist beispielsweise ein Rad nicht ganz Freigängig, weil die Bremsbeläge noch leicht streifen, so ergibt dies eine höhere Schleppleistung. Ist das Fahrzeug zu stark mit den Spanngurten auf die Rollen gespannt, erhöht dies ebenfalls die Schleppleistung.
Beide hier genannten Fehlerquellen erhöhen die Motorleistung (eben durch mehr Schleppleistung) - zumindest auf dem Papier!
Feststellung 8:
Ein Vergleich der reinen Radleistung ergibt einen relativ unverfälschteren Überblick.
Allradangetriebene Fahrzeuge haben im Normalfall eine Schleppleistung welche 20 % der Motorleistung ausmacht. Fahrzeugen welche nur über eine Antriebsachse verfügen haben in der Regel eine Schleppleistung von ca. 10 % der Motorleistung.
Normanwendung
Erst nachdem die Motorleistung (Radleistung + Schleppleistung) berechnet wurde, kommt die Norm zur Anwendung. Hier spielt insbesondere der Faktor der Umgebungslufttemperatur sowie der Ansauglufttemperatur eine wesentliche und entscheidende Rolle. Obwohl die Abnahmestellen dieser Temperaturen genormt sind, wird die Ansauglufttemperatur oft falsch gemessen, damit es einen höheren Wert ergibt. Dies quittiert die Norm dann mit einem höheren Korrekturfaktor und die ausgewiesene Normleistung steigt fälschlicherweise zu stark an.
Gesamtfazit
Als Basis jeder Leistungsmessung werden die Werkangaben hinzugezogen. Wie erwähnt sind diese jedoch lediglich mit einem Motorenprüfstand zweifelsfrei vergleichbar. Und da sich solche Messungen wirtschaftlich nicht lohnen, bedient man sich eines Rad- resp. Radnabenprüfstandes. Hierbei können insbesondere bei der Messung der Schleppleistung und der Anwendung der Normkorrekturen erhebliche Fehler auftreten.
Ebenso sind Diskussionen über eine Maximalleistung resp. dem maximalen Drehmoment nicht zwingend aussagekräftig in Bezug auf die damit erreichten Fahrleistungen. Erst der gesamte Drehmomentverlauf (sofern dieser denn richtig gemessen wird) erlaubt einen Rückschluss auf die Fahrleistungen eines Motorfahrzeuges.
Der ehrlichste Weg die Leistungsfrage zu beantworten sollte demzufolge nicht in Form von PS auf einem Blatt Papier geschehen. Das einzige Resultat was zählt, ist die Beschleunigung auf der Strasse.
Papier glaubt alles. Der direkte Fahrvergleich zeigt die Realität.